Chinas Raumfahrt schlummerte lange Zeit – und marschiert jetzt mit großen Schritten an den alteingesessenen Raumfahrtnationen USA und Russland vorbei. Wir sprechen über die Entwicklung und das internationale Mit- und Gegeneinander.

Heute ist China aus der Raumfahrt nicht mehr wegzudenken. Sie schafften die Mondlandung, Marslandung und bauten eine eigene Raumstation. Doch über Jahrzehnte hinweg tat sich dort nicht. Erst in den 2000ern nahm die Entwicklung fahrt auf – und das rasant.

Eigentlich liegen die Anfänge bereits 1956 in der Gründung der „Fünften Forschungsakademie“. Sie unterstand dem Verteidigungsministerium, durchlief aber etliche Umbenennungen und Umstrukturierungen. Sie gehörte zunächst zum Verteidigungsministerium, wurde dann zum Ministerium für Maschinenbau. 1982 wurde sie zum Ministerium für Astronautik-Industrie, 1988 zum Ministerium für Aeronautik-Industrie und 1993 in die China Aviation Industry Corporation und China Aerospace Corporation aufgespalten. Die finale Form, die China Aerospace Science and Technology Corporation (CASC) entstand schließlich 1999.

Wissen aus den USA

Gegründet wurde die Forschungsakademie 1956 von Forschern. Darunter war Qian Xuesen, der zuvor am Jet Propulsion Laboratory (JPL) arbeitete. Heute ist das eng mit der NASA verwoben, existierte aber bereits zuvor, um us-Raketen zu entwickeln. Qian Xuesen interviewte in dieser Zeit auch Wernher von Braun und weitere deutsche Forscher, die nach dem 2. Weltkrieg in die USA gebracht wurden. So konnte er auch die deutsche V2-Rakete erforschen, die die Amerikaner aus Deutschland mitbrachten.

vlnr: Ludwig Prandtl, Xian Xuesen und Theodore von Kármán (Credit: US Army)

1959 wurde Qian Xuesen dann als Kommunist unter Hausarrest gestellt und kehrte 1955 zurück nach China. Am 8. Oktober 1956 gründete er zusammen mit Qian Weichang, der ebenfalls am JPL gearbeitet hatte, die Fünfte Forschungsakademie. Sie gelten damit als Gründungsväter der chinesischen Raketentechnik.

Zusammenarbeit mit Russland

Das Wissen aus den USA kombinierten die chinesischen Forscher:innen mit sowjetischer Technologie. 1957 erhielt China von der Sowjetunion zwei R-2-Raketen, also verbesserte Versionen der deutschen V2. Die Kooperation hielt aber nur bis 1960 an, als es zum Bruch mit der Sowjetunion kam und China auf sich allein gestellt war.

Auf Basis der Raketen, die sie bereits erhalten hatten, bauten sie die Dongfeng-1 (DF-1). Die ballistische Rakete flog erstmals 1960. Der große Erfolg war aber ihre Nachfolgerin, Dongfeng-2 (DF-2). Sie ist die eigenständig entworfene Weiterentwicklung, weshalb zunächst einige Fehlstarts in Kauf genommen werden mussten. Ihr Erststart im März 1962 schlug fehl, der zweite Start im Juni 1964 gelang nach einer langen Neubauphase.

Dongfeng 1 im Militärmuseum Peking (Credit: Wikimedia Commons/Martin Trolle Mikkelsen)

„Langer Marsch“ ins All

Das Wissen aus der Dongfeng-Entwicklung wurde dann für den Bau einer Trägerrakete eingesetzt. Damit wurde die „Langer Marsch“-Rakete geboren, deren Weiterentwicklung noch heute im Zentrum der chinesischen Raumfahrt steht.

Langer Marsch 1, bzw. Shenzhou 1 (CZ-1) startete erstmals erfolgreich am 24. April 1970. Die Rakete brachte damals einen 173 kg schweren Satelliten in eine Umlaufbahn. Dies machte China zur 5. Nation – nach der Sowjetunion, den USA, Frankreich und Japan – die eine eigene Startfähigkeit besaß. Der Satellit hatte aber keinen wissenschafltichen Nutzen. Stattdessen wurde das Propagandalied „Der Osten ist rot“ in Dauerschleife in den Orbit gesendet.

Chang’e 5 Launch (Credit: China National Space Administration)

Parallel zum US-amerikanischen Gemini-Programm hatte durch den Erfolg von CZ-1 auch China Ambitionen für die bemannte Raumfahrt. Das Projekt wurde aber schnell aus finanziellen Gründen beerdigt. Erst 1992 nahm man die Bestrebungen mit dem Projekt 921 wieder auf. Der erste bemannte Flug gelang dann am 15. Oktober 2003 mit dem Taikonauten Yang Liwei an Bord von Shenzhou-5.

Daten der chinesischen Raumfahrt

5. November 1960: Erstflug der Dongfeng-1 (Ostwind), die chinesische Version der sowjetischen R2 bzw. eine Weiterentwicklung der deutschen V2-Rakete.

29. Juni 1964: Erstflug der Dongfeng-2, der ersten vollständig in China entwickelten Rakete

24. April 1970: Start des ersten chinesischen Satelliten Dong Fang Hong 1 mit der Rakete Langer Marsch 1

15. Oktober 2003: Erstflug des chinesischen Taikonauten Yang Liwei mit dem Raumschiff Shenzhou 5

16. Dezember 2020: Rückkehr der Sonde Chang’e 5 mit 1,73 kg Mondgesteinsproben

14. Mai 2021: Erfolgreiche Landung des Mars-Rovers Zhurong auf dem Mars

November 2022: Fertigstellung der modularen Chinesischen Raumstation (CSS)

Eine eigene Raumstation

Die USA, Russland, Europa und Japan hatten mit der ISS eine permanent besetzte Raumstation. China durfte nicht teilnehmen und verfolgte daher eigene Pläne. Mit Tiangong-1 und Tiangong-2 betrieben sie in den 2010er-Jahren zwei Module im Orbit. Sie dienten als Testlauf für eine Raumstation. So wurden etwa Docking-Manöver für Raumschiffe getestet.

Die Raumstation Tiangong (dt. „Himmlischer Palast“) wurde dann von April 2021 bis November 2022 gebaut. Sie besteht aus einem Kernmodul für die Lebenserhaltungssysteme und den beiden Labormodule Wentian und Mengtian. Seither ist die CSS permanent besetzt.

Aufbau der Chinesischen Raumstation CSS (Credit: Wang Xiang et al.)

Aufbruch zum Mond

Chinas Mondprogramm Chang’e, benannt nach der Mondgöttin, war eine erste Machtdemonstration. Erstmals gelang es mit Chang’e-4 2018 überhaupt einer Nation, auf der „Rückseite“ des Mondes zu landen, also jene Seite, die von der Erde abgewandt ist. Wie andere Nationen ist ein treibender Faktor dabei die Möglichkeit des Bergbau und die Suche nach strategischen Ressourcen wie Eisen, Titan und Helium-3.

Ein Meilenstein war die Chang’e-5-Mission. Der Rover sammelte 1,73 kg an Gesteinsproben, die zur Erde zurück gebracht wurden. Es waren die ersten neue Proben seit der sowjetischen Luna 24-Mission im Jahr 1976. Besonders war hier auch, dass erstmals ein vollautomatisches Dockingmanöver im Orbit gelang, um die Proben zurück zur Erde zu bringen. Zuvor war das nur in bemannten Raumschiffen möglich gewesen.

Ein eigener Mars-Rover

Kaum waren wichtige Meilensteine am Mond erreicht, begann der Aufbruch zum Mars. 2020 startete China seine erste interplanetare Mission, Tianwen. Sie bestand aus dem Rover Zhurong und dem Orbiter Tianwen-1 und erreichte den roten Planeten im Mai 2021 nur kurz nach Perseverence aus den USA.

Die Internationale Mondforschungsstation (ILRS)

2035 will China schließlich eine permanente Forschungsstation auf dem Mond errichten. Dafür arbeitet das Land mit Staaten wie Serbien, Ägypten, Südafrika, Senegal, Venezuela, Thailand und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammen. Zudem existieren in China bereits 400 private Raumfahrtfirmen. Dass sie mit ihrem Plan noch vor den USA auf dem Mond landen, dürfte allgemein als realistisch eingestuft werden.

Podcast

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