Die NASA musste sich beim Wettlauf ins All geschlagen geben – und stand sich mit frauenfeindlichen Ansichten lange selbst im Weg.

1961 feierte die Sowjetunion mit Juri Gagarin, dem ersten Menschen im Weltraum, einen neuen Helden. Der Triumph der UdSSR war gleichzeitig eine Schmach für die USA. Dort verpasste man diesen Meilenstein nur knapp und konnte erst einen Monat später einen Astronauten ins All schicken.

Dabei hatten sich die USA viel erhofft mit ihrem Mercury-Programm. Anders als die Sowjetunion kommunizierten sie das auch selbstbewusst nach außen. Mit der Auswahl der „Mercury Seven“, der 7 ersten amerikanischen Astronauten, sollte auch ein Image des perfekten Mannes vermittelt werden: Sportlich, gebildet, modisch, cool. Ihr Lifestyle war gleichermaßen draufgängerisch und verantwortungsbewusst, sie konnten feiern und waren gleichzeitig liebende Familienväter – so zumindest das nach außen transportierte Bild.

Space Cowboys

Diese typische weiße, amerikanische Mittelklassefamilie präsentierten Alan Shepard, John Glenn, Scott Carpenter, Gordon Cooper, Gus Grissom, Walter Schirra und Deke Slayton unter anderem in exklusiven Home-Stories im Life-Magazine. Die 7 Astronauten waren allesamt Testpiloten beim Militär und konnten mit den Reportagen ihr Gehalt aufpolieren. Dass die Bilder nur inszeniert waren – Gordon Cooper war bereits von seiner Frau getrennt, sie spielten die heile Familienwelt nur für die Presse – kam erst Jahre später ans Licht.

Zum Image gehörte auch ein bestimmter Look. Anders als Juri Gagarin, der stets in Militäruniform auftrat, waren die Mercury 7 in Zivil unterwegs: modische Kurzarmhemden, Aviator-Brille, Cowboyhut und Sportwagen. Verstärkt wurde dieses Image Jahre später vor allem durch das Buch The Right Stuff (1979) von Tom Wolfe, das 1983 auch verfilmt wurde. Die Männer standen für einen amerikanischen Lebensstil, Ideale und für Freiheit.

Kaputtnik

Dass die USA ihre Astronauten siegessicher inszenierten führte dazu, dass der Rückschlag nach Gagarins erfolgreichem Flug umso größer war. Schon zuvor hatte man sich mit der Live-Übertragung des Starts des „Explorer“ schon den Spitznamen „Kaputtnik“ eingehandelt, da der Satellit explodierte.

Der Schock, mit Alan Shepard nur den zweiten Menschen ins All bringen zu können, saß also tief. So tief, dass der damalige US-Präsident John F. Kennedy nur wenige Wochen nach dem Flug versprach: Wir werden noch vor Ende der Dekade einen Menschen auf den Mond bringen.

Weltraum-Hüpfer

Hinzu kam, dass das Raumfahrtprogramm der Sowjetunion deutlich weiterentwickelt war als das der Amerikaner. Während Juri Gagarin schon bei seinem ersten Flug einmal um die Erde flog, machte Shepard „nur“ einen Suborbitalflug. Dabei machte die Rakete einen „Hüpfer“ ins All.

Dabei hob er mit der Rakete Redstone im Mercury-Raumschiff „Freedom 7“ ab. Shepard erreichte eine Höhe von 187,5 km, also deutlich über der Kármán-Linie. Der Flug dauerte nur 15 Minuten. Erst im Februar 1962 absolvierte John Glenn einen Orbitalflug, fast ein Jahr nach Juri Gagarin.

Recht schnell wurde das Mercury-Programm dann zugunsten des Gemini-Programms eingestellt. Gemini wurde bereits 1961 gestartet und sollte die Mondmissionen des Apollo-Programms vorbereiten. Dabei wurden Manöver im Orbit geprobt, wie z.B. das Andocken eines Raumschiffs. Alan Shepard führte seine Astronauten-Karriere fort und flog mit Apollo 14 auf den Mond.

13 Frauen wollen ins All

Das Scheitern der USA nahm mit den Mercury 13 weiter ihren Lauf. Bereits 1959 versuchten Frauen ebenfalls die für die Astronauten gedachten Tests zu absolvieren. Auf Initiative des Mediziners William Randolph Lovelace hin wurden die ersten beiden Testphasen absolviert und 13 erfahrene Pilotinnen meisterten dieselben medizinischen Tests, die auch die Männer von „Mercury 7“ absolviert hatten. Sie bestanden diese nicht nur, sondern waren den Männern in einigen Fällen sogar überlegen.

Myrtle Cagle, Jerrie Cobb, Janet Dietrich, Marion Dietrich, Wally Funk, Sarah Gorelick, Jane Briggs Hart, Jean Hixson, Rhea Woltman, Gene Nora Stumbough, Irene Leverton, Jerri Sloan und Bernice Steadman schöpften Hoffnung, vielleicht den Sprung ins All zu schaffen. Sie wollten auch die restlichen Tests absolvieren. Das unterband die NASA aber und tat das Projekt als Quatsch ab.

Frauenfeindliche Ansichten

Jerrie Cobb und Jane Briggs Hart kämpften dafür, weitermachen zu können. Nach 2 Jahren durften sie vor einem Komitee des Repräsentantenhauses sprechen und warfen den Verantwortlichen geschlechterdiskriminierendes Verhalten vor.

Anwesend waren auch NASA-Repräsentanten, darunter John Glenn und Scott Carpenter, die Teil der Mercury 7 waren. Insbesondere Glenn fiel dabei negativ auf. Er erklärte: „Männer gehen raus und kämpfen in Kriegen und fliegen die Flugzeuge […]. Dass Frauen nicht Teil dieses Felds sind, ist Teil unserer sozialen Ordnung.“ Er kritisierte weiter, dass eine Voraussetzung sei, einen Universitätsabschluss in Mechanical Engineering zu haben – einen Abschluss, den Glenn selbst nicht hatte, als er ausgewählt wurde.

Ein weiterer Kritikpunkt war, dass die Frauen keine Testpilotinnen beim Militär waren. Der Grund dafür war, dass Frauen einfach nicht zugelassen waren. Dass sie alle als Testpilotinnen für private Firmen flogen und dabei mitunter mehr Flugstunden absolviert hatten als die Männer, hatte für die Verantwortlichen keine Relevanz.

Die Entscheidung, Frauen zu verbieten, eine Rolle in der Raumfahrt zu spielen verdeutlichte, wie tief verankert Frauenhass und Minderheitenhass damals war. In einem Brief des demokratischen Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson verlangte dieser, das Mercury-13-Programm unbedingt zu unterbinden. Er soll zudem gesagt haben, wenn man Frauen zulasse, müsse man auch andere Minderheiten zulassen und das wolle man nicht.

Walentina schlägt die USA

Die Sowjetunion nutzte die Gunst der Stunde, nachdem sie während eines Besuchs des Kosmonauten German Titow in den USA von den Mercury 13 erfuhren. Sie wollten es sich nicht nehmen lassen, auch die erste Frau ins All zu bringen. Das gelang, als Walentina Tereschkowa mit Wostok 6 am 16. Juni 1963 ihren Flug ins All absolvierte.

Walentina Tereschkowa
Credit: Roskosmos

Der Flug von Tereschkowa war ein massiver Propagandaerfolg der Sowjetunion. Es war allerdings vor allem das – Propaganda. Auch wenn der Flug bis heute eine entscheidende Rolle für die Frauenbewegung spielt, wurde Swetlana Sawitskaja erst 1982 die zweite Frau im All. Nach Tereschkowas Flug kommentierte Mercury-7-Astronaut Gordon Cooper, man hätte ja für Mercury 2 eine Frau statt einen Schimpansen auswählen können.

Aus Fehlern lernen

Erst seit 1973 sind Frauen bei der US Navy zugelassen, bei der Air Force seit 1976. Bis eine Testpilotin ihre Ausbildung dort abschloss, dauerte es weitere 14 Jahre. 1983 wurde die Astrophysikerin Sally Ride die erste Amerikanerin, die ins Weltall fliegen durfte. Sie war Teil der Challenger-Mission STS-7. 1999 wurde Eileen Collins die erste Pilotin und Kommandeurin eines NASA-Shuttles.

Die NASA warb damals aktiv um Bewerberinnen. Da keine eigenen Vorbilder zur Verfügung standen, trat in einem Werbespot die Schauspielerin Nichelle Nichols auf. Sie war als Lt. Uhura aus Star Trek: Raumschiff Enterprise bekannt und arbeitete über Jahrzehnte hinweg mit der NASA zusammen, um Frauen und People of Colour zu motivieren, sich der NASA anzuschließen.

Wiederholt sich die Geschichte?

In den vergangenen Jahren hat die NASA ihre Bemühungen immer weiter verstärkt, die Organisation diverser zu machen. Unter den 42 aktuellen Astronaut:innen finden sich mit Nichole Ayers, Kayla Barron, Chris Birch, Zena Cardman, Tracy Caldwell Dyson, Jeanette J. Epps, Christina Koch, Nicole Mann, Megan McArthur, Anne McClain, Jessica Meir, Loral O’Hara, Kate Rubins, Shannon Walker, Jessica Watkins, Sunita Williams, Stephanie Wilson und Jessica Wittner insgesamt 14 Frauen.

Bevor die Administration des aktuellen Präsidenten Donald Trump die Regierung übernommen hat, war das Ziel der NASA die erste Frau und die erste PoC auf den Mond zu bringen. Dieses Ziel ist heimlich still und leise von der NASA-Website verschwunden. Immerhin steht fest, dass mit Christina Koch eine Frau mit Artemis II um den Mond fliegen soll.

Happy End für Wally Funk

Einen kleinen Sieg konnte Wally Funk, die Teil der Mercury 13 war, im Juli 2021 feiern. Sie führte gemeinsam mit William Shatner (Captain Kirk) in Jeff Bezos‘ „Blue Origin“-Rakete einen Suborbitalflug durch und kam so doch noch in den Weltraum. Erwähnenswert ist, dass die Rakete den Namen „New Shepard“ trägt, benannt nach Alan Shepard. Zudem brach die damals 82-jährige Funk den Rekord als älteste Person im All – den bis dahin John Glenn hielt.

Raumfahrtgeschichten #5

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https://youtu.be/Ml6XzP27sIs